Mit dem MTB auf das Dach der Welt

In diesem exklusiven Interview sprechen wir mit unserem Vereinsmitglied Rüdiger über seine atemberaubende Radreise durch den Himalaya, bei der er den legendären Khardung La bezwang. Mit über 65 Jahren stellte er sich extremen Bedingungen auf über 5.000 Metern Höhe – ein inspirierendes Beispiel, wie Fitness und Abenteuergeist keine Altersgrenzen kennen. Rüdiger teilt seine Erfahrungen, die intensive Vorbereitung und gibt wertvolle Tipps. Wir alle wünschen uns, auch in seinem Alter noch so fit und abenteuerlustig zu sein!

Was hat dich dazu inspiriert, eine Radreise im Himalaya zu unternehmen und den Khardung La zu befahren?

Rüdiger: Das Himalaya-Gebirge war schon immer ein Sehnsuchtsort, der bei mir im Hinterkopf als Reiseziel vorhanden war. Allerdings eine klassische Trekkingreise mit Langstreckenwanderungen ist für mich nicht unbedingt die ideale Lösung. Das Radfahren kann ich eben viel besser, nur eine entsprechende Reise mit Fahrrad war mir bis dahin unbekannt. Das änderte sich dann, als Anfang 2020 ein umfangreicher Reisebericht „Qual am Dach der Welt“ in der Stuttgarter Zeitung erschien. Darin wurde von einem der anspruchsvollsten Mountainbike-Touren im indischen Himalaya berichtet, der Manali Leh Highway. Das war die Initialzündung für die Entscheidung diese Tour umzusetzen. 

Nur kurze Zeit später machte die Corona Pandemie alle Pläne zunichte und die Reise geriet mehr und mehr in Vergessenheit bis mir Anfang 2024 der Reisebericht wieder in die Hände fiel, also ca. 4 Jahre später. Entweder jetzt machen oder die persönliche Zeituhr wird irgendwann die natürliche Hürde sein. Ich entschied mich es zu machen.

Der Manali Leh Highway führt über eine der höchsten Bergpässe der Welt über ca. 480 km von Manali (Himachal Pradesch) nach Leh (Ladakh). Am Schluss geht es dann von Leh noch ca. 36 km auf den Khardung La Pass hinauf. Bis vor wenigen Jahren war das der höchste befahrbare Pass der Welt.

Die Strecke von Manali (1.900m) nach Leh (3.500m) führt über die Pässe

  • Rothang Pass 3.980m
  • Barachlacha La Pass 4.894m
  • Nakeela Pass 4.910 m
  • Lachalung La Pass 5.065m
  • Taglang La Pass 5.360m und als Zugabe der
  • Khardung La Pass 5.390m
Wie hast du dich auf die körperlichen und mentalen Herausforderungen dieser extremen Bedingungen vorbereitet?

Rüdiger: In der Grandmaster Gruppe findet sich für mich der Hauptteil der Vorbereitung. RTF’s und Strecken über 100 km um eine solide Grundlage zu haben. Dazu habe ich selbst noch einige Ausfahrten in den Schwarzwald unternommen, um Höhenmeter in die Beine zu bekommen. Aber auch die Runden rund um den eigenen Wohnort waren immer mit der Suche nach Steigungen verbunden. In Summe aber nicht übertrieben viele zusätzliche Kilometer im Vergleich zur üblichen Jahresleistung gefahren.

Um ein gutes Gefühl der Vorbereitung zu haben, bin ich kurz vor Antritt der Reise in eine Höhenkammer für 5 Tage hintereinander (jeweils 2 Stunden) gegangen. Das bietet die Firma HESS Training | Therapie GmbH in Bietigheim. 

Ansonsten sich auf seine Beine verlassen und nicht zu viel Grübeln, sondern auf die Reise freuen.

Wie verlief der typische Tagesablauf während deiner Radreise im Himalaya, und gab es bestimmte Routinen, die du eingehalten hast, um die Herausforderungen zu meistern?

Rüdiger: Auf der Strecke gibt es keine Ansiedelungen mit Hotels, deshalb musste man sich mit dem Übernachten im Zelt anfreunden, was besser gelang als gedacht. Die Tagesroutine gestaltete sich wie folgt:

  • Um 7 Uhr wecken mit „Good Morning Sir, Tea or Coffee?“. In den Raddress und das Gepäck richten für die Abreise
  • Um 8 Uhr ein super reichhaltiges Frühstück
  • Kurz vor 9 Uhr in den Radsattel. Die Räder wurden immer gereinigt und Kette geölt, also Topservice
  • Mit Pausen für Verpflegung waren wir dann bis ca. 15 bis 17 Uhr unterwegs.
  • Ankunft im bereits errichteten Camp. Snack mit Getränken
  • Um 19 Uhr Abendessen
  • Um 21 Uhr war in der Regel jeder in seinem Zelt/Schlafsack

Die wichtigste Routine unterwegs war das regelmäßige Trinken (mindestens 3-4 Liter/Tag) und Essen in Form von Sandwiches, Eier, Bananen und Riegel. Das Trinken ist auch gegen mögliche Symptome einer Höhenkrankheit sehr vorbeugend.

Welche Momente oder Erlebnisse während der Reise sind dir besonders in Erinnerung geblieben, sowohl positiv als auch negativ?

Rüdiger: Positiv die atemberaubende Landschaft, die uns während der 480 km immer begleitete und als Belohnung für die körperlichen Strapazen diente. Glücksgefühle auf den Pässen, insbesondere als wir den ersten 5.000er Pass überquerten. Das kommt ja in der Regel nur einmal im Leben vor.

Negativ die Eingeschränktheit der Leistungsfähigkeit durch die Höhe bzw. dünne Luft. Der Puls wird zur Nebensache. Es zählt nur noch die Balance zwischen Treten und Atmen. Und das muss man stundenlang während der Fahrt austarieren und bedarf einer unendlichen Geduld. Zu hohe Anstrengung wird durch unterschiedliche Symptome (starke Kopfschmerzen, Kraftlosigkeit) der Höhenkrankheit bestraft. Das kann schnell bis zur Aufgabe der Reise führen.

Die indischen Trucks, die einen oftmals mit wenig Abstand überholten waren eher wenig störend. War einfach mit mir selbst beschäftigt und gehört dazu. 

Der Khardung La gilt als einer der höchsten befahrbaren Pässe der Welt. Wie hast du die Höhe und die damit verbundenen Herausforderungen erlebt?

Rüdiger: Der Khardung La war im Grunde nur noch die Zugabe. Ich war auf dieser letzten Etappe nur noch mit unserem Guide und dem Begleitfahrzeug unterwegs. Die anderen 3 Mitfahrer waren platt. Die Motivation hing aber am seidenen Faden. Das Hinterteil war bereits ziemlich ramponiert und die Strecke zu etwa zwei Drittel sehr schlecht. 

Körperlich und psychisch (Motivation) die größte Herausforderung. Die Höhe war nicht mehr das Thema, da bereits gut angepasst. Das Glücksgefühl auf der Passhöhe unbeschreiblich mit Belohnung für den Blick auf 7.000er Berge. 

Welche Tipps würdest du anderen geben, die eine ähnliche Tour im Himalaya in Betracht ziehen?

Rüdiger: Neben der Fitness auf dem Rad ist die Geduld der wichtigste Faktor um eine Tour in diesen Höhen erfolgreich zu gestalten. Das Motto „die Langsamsten werden die Schnellsten sein“ trifft zu 100% zu und ist die Formel um der Höhenkrankheit zu entgehen. 

Eine Portion Abenteuerlust und die Neugierde nach was Neuem und Unbekanntem sollte gut vorhanden sein. Belohnt wird man durch unvergessliche Eindrücke in einer grandiosen Bergwelt.

Eine gewisse Robustheit was Verträglichkeit für fremdes Essen und den allgemeinen Gesundheitszustand angeht ist vorteilhaft. 

Den eigenen Sattel könnte mitzunehmen könnte hilfreich sein, wenn er für lange Strecken erprobt ist. Das eigene Rad mitzunehmen ist nicht notwendig. Die uns zur Verfügung gestellten Räder waren völlig ausreichend mit einer tauglichen Übersetzung. Bei Defekten muss man sich dann auch nicht selbst darum kümmern.

Anzumerken ist noch, dass der Erfolg wesentlich durch das begleitende Team beeinflusst wird. Wir hatten das Glück, dass die uns betreuenden Menschen es uns sehr leicht gemacht haben. Ein Künstler von Koch, ein Guide als Motivator und der Rest des Teams immer helfend zur Stelle.


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